In Mexico-City gibt es - nach meiner Zählung, doch für Vollständigkeit kann nicht garantiert werden - 62 Museen. 18 davon haben wir schon geschafft, darunter das weniger bekannte
 

  Museo de Leon Trotsky  

Das Trotzki Museum, an der Viena 45 in Coyoacan gelegen, besteht aus einem baumbestandenem patio und den angrenzenden Wohngebäuden. Das alles wird von drei Wachtürmen flankiert, denn der Flüchtling fühlte sich -und wie wir sehen werden, nicht ohne Grund- nirgendwo sicher. Diese Türme waren ständig von Wachleuten besetzt.

Trotzky mit seiner Kaninchenzucht

Beim Betreten des schönen patios fallen uns gleich rechts die Kaninchen auf. Ob das wohl noch Nachfahren jener berühmten Kaninchen sind, die Trotzki selber gezüchtet hat? Im patio warten zwei schwarzgekleidete, lange Stiefel tragende Gestalten. Das sind Mitglieder der Trotzkistischen Partido Revolucionario de los Trabajadores. Eine mit viel Freude und Eifer alles erklärende señorita führt uns herum. Von der mit einer roten Fahne geschmückten Urnenstätte aus geht es zum Zimmer des Stiefsohnes, weiter durch einen Raum, in dem Trotzki-Photos zu sehen sind, zu Trotzkis Schlafzimmer  - mit den Spuren von Maschinengewehreinschüssen in der Wand - bis hin zum Bad, der Küche sowie den Wohn- und Arbeitsräumen von Trotzki und seiner Ehefrau Natalya. Hier ist die Zeit im wahrsten Sinne des Wortes stehengeblieben. Vor allem Badezimmer und Küche zeigen den 'Charme' der 40er Jahre, und in Trotzkis Arbeitszimmer blieb sowieso alles unverändert.

Innenhof des Museums                                                     Zwei Wachtürme

Leon Trotzki
Trotzki, als Lew Davidowitsch Bronstein geboren, war der Organisator und Führer der russischen Oktoberrevolution. Der Aufbau der Roten Armee war ebenfalls sein Werk. Nach Lenins Tod verdrängten jedoch die nationalrussischen Bolschewisten die alten internationalen Revolutionäre, und 1924 konnte Stalin, damals Generalsekretär der KP, Trotzki ausschalten. Stalin festigte seine Macht durch einen rigorosen, diktatorischen Sozialismus und ließ viele Trotzki-Anhänger und Oppositionelle hinrichten oder in Straflagern umkommen.

Von Stalins Geheimpolizei GPU verfolgt und mit dem Tode bedroht, verließ Trotzki, mit Ehefrau Natalya und Sohn Leon, die UDSSR heimlich auf einem Frachtschiff. Doch selbst Trotzkis Familie war vor der GPU nicht sicher. Leon starb später unter ungeklärten Umständen in Frankreich, sein zweiter Sohn verschwand in einem Straflager, und seine Tochter nahm sich im Berliner Exil das Leben.

1938 :   Diego Rivera - Frida Kahlo - Natalya - Riba Hansen - Andre Breton - Trotzki

Nach Aufenthalten in der Türkei, in Frankreich und in Norwegen fand Trotzki 1937 mit Natalya in Mexiko Asyl. Der mexikanische Präsident Cardenas war der einzige, der bereit war, ihn aufzunehmen. Mit Hilfe des kommunistischen Malers Diego Rivera fand Trotzkiyseinen Platz in Mexico. Zuerst lebte er als Gast bei dem Maler und dessen Ehefrau Frida Kahlo. Dann kaufte er das Haus in Coyoacan und ließ es zu einer Art Festung umbauen. Das ursprüngliche Tor wurde zugemauert, hohe Mauern wurden gezogen und die Wachtürme gebaut. Bis zu seiner Ermordung lebte Trotzki hier in den Räumen des jetzigen Museums.

Im allgemeinen kamen Besucher nur mit einem Empfehlungsschreiben in das Haus, und sie wurden auch noch durchsucht. Man fragt sich jedoch, warum die Wächter nicht aus der kommunistischen Liga rekrutiert wurden.

Den ersten Mordversuch gab es am 24. Mai 1940. Ein Wachman, William Hart, öffnete den Siqueiros die Pforte. Ihr Anführer, David Alfaro Siqueiro, war wie Rivera ein bekannter Muralist und Kommunist, im Gegensatz zu diesem jedoch ein linientreuer Stalinist. Die bewaffneten Männer kamen ungestört in das Haus, bedrohten die anderen Wachen und feuerten im Dunkeln Maschinengewehrsalven auf Trotzkis Schlafzimmertür ab. Trotzkiy und Natalya warfen sich zu Boden und wurden nicht verletzt.

Warum das Tor von Hart geöffnet wurde, konnte nie ganz geklärt werden. Einige Zeit später war der Mann tot. Trotzki hielt ihn jedoch für unschuldig und ließ ihm zu Ehren eine Plakette im Hof anbringen.
Nach diesem ersten Überfall gab es weitere Fragen. Warum wurde die Schlafzimmertür nicht geöffnet? Warum wurde nicht nachgesehen, ob Trotzki wirklich tot war? Eines steht jedoch fest. Die Angreifer hatten zuviel getrunken.

Ramon Mercader
Danach muß die GPU beschlossen haben, den Mord nicht mehr 'frontal', sondern von 'innen' durchzuführen. Der Mörder stand bereits bereit - und er war seit Jahren auf seinen Auftrag vorbereitet worden.

Ramon Mercader wurde in Barcelona geboren. Seine Mutter Caridad war eine fanatische Kommunistin. 1931 wurde die Republik in Spanien ausgerufen, und Mercader begann für sowjetische Organe zu arbeiten. 1936 brach der spanische Bürgerkrieg aus. Viele der Kommunisten ließen damals ihre Kinder, die so genannten 'Kriegskinder', nach Rußland bringen. Darunter war auch Mercaders jüngster Bruder Luis.

Ramon erhielt in der UDSSR eine Spezialausbildung. Er sollte lernen, ein anderer zu werden. Trotzkis Ermordung wurde also von langer Hand vorbereitet. Nach der Ausbildung lebte der Agent unter dem Namen Jaques Monard mit belgischem Pass in Paris. Er soll ausgezeichnet Englisch und Französisch gesprochen haben, und er besaß viel Geld. Kurzum - ein perfekter Gentleman. In Paris lernte er auch Sylvia Ageloff kennen, eine Trotzki-Genossin aus den USA.

1940 fuhren beide nach Mexico. Mercader besaß jetzt einen kanadischen Pass und nannte sich Frank Jacson. Als Erklärung diente die Befürchtung, als Belgier eingezogen zu werden. In Mexico gab er sich als politisch Desinteressierter aus, doch als Sylvia Ageloffs 'Verlobter' kam er einige Male in Trotzkis Haus. So lernten ihn die Wachen kennen. Am 17. August kam er allein. Er benahm sich jedoch sehr seltsam, setzte sich auf  Trotzkis Schreibtisch, nahm seinen Hut nicht ab, usw. Trotzki wurde mißtrauisch, und er soll gesagt haben, daß er Jacson nicht mehr sehen wolle.

Am 20. August kam dieser jedoch erneut. Er nickte den Wachen zu und betrat das Haus. Es war sehr warm, doch Mercader trug einen Mantel über dem Arm. Darunter hatte er drei Waffen verborgen: den Eispickel, einen Dolch und einen Revolver. Er bat Trotzki ein mitgebrachtes Manuskript zu korrigieren. Trotzki setzte sich und fing an zu lesen. Da rammte ihm Mercader den Eispickel mit beiden Händen 3,5 cm tief in den Kopf. Unerwarteterweise stand der Verletzte jedoch noch auf, er schrie, wehrte sich und biß den Angreifer in die Hand. Die Wachen kamen und sie hätten 'Jacson' umgebrachtet, wenn Trotzki nicht darum gebeten hätte, den Angreifer am Leben zu lassen, denn er sollte die Auftraggeber des Attentats nennen. Lädiert und schwankend, mit einem Kopfverband versehen, wurde der angebliche Jacson dann von der mexikanischen Polizei abgeführt. Seine vorbereitete Flucht war durch Trotzkis Widerstand mißlungen.

Leon Trotzki starb am 21. August in einem Krankenhaus der mexikanischen Hauptstadt.

Frank Jacson alias Jaques Monard alias Ramon Mercader wurde zu 20 Jahren Gefängnis, der Höchststrafe in Mexico, verurteilt. 1960 wurde er entlassen. Seine wahre Identität war seit 1950 bekannt. Mercader flog über Havanna nach Moskau. Dort erhielt er den Namen Ramon Lopez und den Orden 'Held der Sowjetunion'. Er durfte nur mit zwei Familien Kontakt aufnehmen und arbeitete mit Genossen, ehemaligen Bürgerkriegskindern, an einer Geschichte des spanischen Bürgerkrieges. Doch Trotzkis Schrei verfolgte ihn für den Rest seines Lebens.

1974 bat er Fidel Castro um eine Aufenthaltserlaubnis für Kuba. Dort starb er 1976 an Knochenkrebs. Begraben ist er in Moskau - unter dem Namen Lopez Ramon Iwanowitsch.

Da das Trotzki Museum uns besonders gut gefallen hatte, waren wir 99 noch einmal da. Doch in den zwei Jahren hat sich einiges verändert. 97 war das Photographieren noch umsonst - jetzt kostet es 10 Pesos. Im patio sehen wir eine Katze mit rotem Halsband. Leider sind die jungen Trotzkisten nicht mehr da. Höchstwahrscheinlich haben sie sich den Paristas der UNAM angeschlossen und nehmen am Streik teil. Statt ihrer erzählt ein alter, schwarzgekleideter Genosse mit Pferdeschwanz in schwer verständlichem Englisch von Trotzkis Leben und berichtet über sein Wirken und von seinem Tod in Mexico.

Das 97 vergessene 'Trotzkisten'-Photo kann ich diesmal nachholen. Vor den Stufen des Arbeitszimmers stehen Helga und Andreas hinter dem Trotzkisten. Dieser hält uns für waschechte Kommunisten und drängt daher zu einer weiteren Aufnahme vor Trotzkis Begräbnisstätte. Helga erklärt sich schließlich dazu bereit. Dem geschichtlich bedeutenden Ereignis entsprechend, posiert sie mit ernstem Gesicht vor Fahne und Grabmal.

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